Chaos

Zuerst sei das Chaos entstanden, dann aber die breitbrüstige Erde, ein ewig fester Wohnsitz für alles, und auch Eros.

Hesiod zitiert in Platon, Symposium

Aus dem Chaos entsprang Gaia, die Erde, und mit ihr zugleich Eros. „Gaia [ist] ein Nicht-Identisches und dennoch alles Gewordene ermöglichend; etwas, was noch vor den auseinandergetretenen Elementen und noch vor der Welt ist.“

Gaia wird bei Platon als „Amme des Werdens“ beschrieben und der griechische Philosoph erweist ihr als „tellurische Variante matriarchaler Kosmogonie“ Respekt. Bei der Evolutionsbiologin Lynn Margulis und dem Geologen James Lovelock wird Gaia aus Sicht einer systemtheoretischen Ökologie gleich einem ‚Superorganismus‘ begriffen, als ‚Ökosystem Erde‘, das nur in Wechselwirkung verschiedener aufeinander verwiesener autopoietischer, das heißt sich selbstregulierender Systeme zu verstehen sei.

Eros stellt die Flamme erotischer Lust, das zeugende Prinzip dar, das Platon im Gastmahl nichtzuletzt durch die Priesterin Diotima zum Kernthema des von ihm beschriebenen Trinkgelages erhebt. Ebenfalls zentral befasst sich der französische Philosoph Michel Foucault mit dem Eros. Er betreibt eine archäologische Spurensuche im Kontext der Rezeptionsgeschichte antiker Dirskurse. Er zeigt auf, dass neben der ‚Selbsterkenntnis‘ die ‚Sorge ums Selbst‘ ein entscheidendes Konzept darstellte, um über Eros als Quelle für ein sinnhaftes und gelingendes Leben nachzudenken.

Darüber hinaus eröffnet Lynn Margulis durch ihre Perspektive auf Eros als Ausdrucksform von Symbiogenese den Blick für die koevolutionäre, das heißt kommunikative, kooperative und kreative Dynamik sexueller Begierde. Die symbiogenetische Kraft erotischen Verlangens kann in Rückbezug auf Margulis als elementares Prinzip der Evolution beschrieben werden. Gaia und Eros lassen sich bei ihr ebenso wie bei Platon nicht getrennt betrachten, vielmehr beschreiben sie die Wechselwirkungsprozesse menschlicher mit nicht-menschlichen Entitäten.

Vogelbach 2020

 

Das Foto zeigt ein performatives Gastmahl im Rahmen der Abschlusstagung des Sonderforschungsbereichs SFB 1015 Muße, das ich gemeinsam mit der Choreografin Pilar Buira Ferre und ihrem Ensemble vis à vie ausgestaltet habe. In der nachfolgenden Webdoku lässt sich darüber mehr erfahren.